RATTENBERG. “Vom Rohstoff zur Form” – das 5. Handwerksforum von Netzwerk Handwerk war erneut ein voller Erfolg: mitreißende Vorträge, guter Besuch, ein sehr interessiertes Publikum und ein spannendes Thema.
Der zentrale Themenbereich des Forums, Handwerk und regionale Rohstoffe, gewinnt gerade im Zeiten der Klimadebatte immer mehr an Aktualität. Netzwerk Handwerk befasste sich in seinem 5. Forum mit dieser Thematik und lud dazu vier Referent*innen, die das Thema „Vom Rohstoff zur Form“ aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchteten.
Woher bezieht das Handwerk seine Rohstoffe? Welche Materialien werden verwendet? Wie sieht es dabei mit der Ökobilanz aus? Können diese Materialien recycelt und wiederverwertet werden? Werden überhaupt noch Rohstoffe regional hergestellt? Eine Fülle an Fragen, denen sich die Vortragenden aus verschiedenen Positionen annäherten und anhand konkreter Beispiele aufzeigten, welche Möglichkeiten regionale Rohstoffe für das Handwerk bieten.
Vor allem zeigten die Referenten auf, wie die teils seit Jahrtausenden bekannten Rohstoffe auch heute noch weiterentwickelt und zeitgemäß und ökologisch verarbeitet und genützt werden können. Leder, Flachs, Lehm, Kalk – vier Materialien, die seit Jahrtausenden Teil der Kulturgeschichte des Menschen sind, standen im Mittelpunkt der Vorträge, die wieder Besucher aus Handwerk, Bauwesen, Architektur und am Handwerk Interessierte in den Malerwinkel Rattenberg lockten.
Mit Martin Rauch war “der” Lehmbaupionier beim 5. Handwerksforum zu Gast und berichtete über neue Entwicklungen des Stampflehmbaus – eine jahrtausendealte Bauweise, die nicht nur ästhetisch, sondern vor allem in ökologischer Hinsicht überzeugt. Die Vorteile dieser weltweit bekannten Bauweise begeisterten das Publikum u.a. durch die Möglichkeit, den Baustoff direkt aus dem Aushub zu gewinnen und den Bau zu 100% recyclingfähig zu errichten. Erstaunlich ist auch die Langlebigkeit der Stapflehmbauten, die trotz laufender Erosion hunderte Jahre überdauern.
Maßschuhmachermeisterin Doris Pfaffenlehner aus dem niederösterreichischen Pielachtal lebt vor, wie begeisternd und erfüllend Handwerk für junge Menschen sein kann – auch in einem kleinen Ort am Land. Mit ihrem Projekt “Dirndlleder” (mit Kernen der Kornelkirsche “Drindl” rein pflanzlich gegerbtes Leder) beweist sie, dass auch “altes” Handwerk mit neuen Ansätzen erfolgreich und ökologisch weiterentwickelt werden kann.
Dasselbe trifft auch auf die Handweberei Tessanda aus der Schweiz zu: Geschäftsführerin Maya Repele schilderte, wie der wirtschaftlich darniederliegende Betrieb mit Qualität, betriebswirtschaftlichen Maßnahmen, gezieltem Marketing und mit modernem Design zeitgemäß und erfolgreich wurde und heute in einer abgelegenen Region 16 Weberinnen erfüllende Arbeitplätze bietet. Zudem wurde von Tessanda der Flachsanbau wiederbelebt – ein uralter Rohstoff des Alpenraums, der beinahe in Vergessenheit geraten ist.
Anja Diekamp vom Institut für Materialwissenschaft an der Universität Innsbruck schilderte, wie das Thema “natürliche hydraulische Kalke” als Alternative im Bauhandwerk (nicht nur im Denkmalschutz) für die Zukunft erforscht wird und wie Kalk, einer der ältesten Baustoffe überhaupt, als ökologischer und regionaler Rohstoff auch heute wieder erfolgreich eingesetzt werden kann – in Zeiten des Klimawandels ein wichtiges Thema...
Fazit des 5. Handwerksforums: Handwerk steht in Hinblick auf die verwendeten Rohstoffe vor großen Herausforderungen. Aber mit Blick auf die Klimadebatte bieten Beispiele mit regionalen und ökologischen Schwerpunkten wie die von den Referenten geschilderten dem Handwerk auch große Chancen. Das Handwerk kann sich als die ökologische, regionale, reparaturfähige und nachhaltige Alternative gegenüber der übermächtigen Industrie positionieren (und dieser sogar als Vorbild dienen) und so einen wichtigen Betrag für die Zukunft unseres Planeten leisten.
Fotos: Albin Ritsch