„Tracht im Dialog“ war das Thema einer Diskussionsveranstaltung, zu der der Verein Netzwerk Handwerk geladen hatte. Der neue Seminarraum am Oberluechhof in Kirchbichl war bis auf den letzten Platz gefüllt – das Thema Tracht sorgte für großes Interesse.
Der Ort der Veranstaltung war nicht zufällig gewählt: am Oberluechhof hat Hausherrin Helene Mayr ihre Trachtenwerkstatt eingerichtet, die zu den gefragtesten Adressen im Tiroler Unterland rund um Tracht und Brautmode zählt. Dass Tracht und Brauchtum in den letzten Jahren eine Renaissance erlebte, zeigte sich am großen Interesse für die Veranstaltung, die mit hochkarätigen Referentinnen besetzt war und die das Thema aus unterschiedlichsten Perspektiven beleuchteten, moderiert wurde von Volkskundlerin Angelika Neuner-Rizzoli.
Trachtenexpertin, Unternehmerin und Volkskundlerin Gexi Tostmann betonte die Wichtigkeit der Qualität für die Tracht: die Qualität der Materialien, die sie von österreichischen Erzeugern bezieht, aber auch jene der handwerklichen Fertigung. Hier sieht sie auch Chancen für die Zukunft: Regionale Erzeugung und regionale Materialien bedeuten auch Nachhaltigkeit und Ökologie. – Die handwerkliche Qualität ist auch eine der Voraussetzungen für die Arbeit der Juppenwerkstatt Riefensberg im Bregenzerwald und deren Leiterin Martina Mätzler. Sie erlernte 2003 das Handwerk vom damals letzen Vorarlberger Juppen-Hersteller Manfred Fitz, und rettete so die Juppe ins 21. Jahrhundert. Heute bemerkt sie eine „große Begeisterung bei den Jungen“ für die alte Tracht, wenn auch über das Thema kontroversiell diskutiert wird.
Karl C. Berger, Leiter des Tiroler Volkskunstmuseums, wies auf die Idealisierung der Trachten in früheren Jahrzehnten hin. Die geographische Abgrenzung der Talschaftstrachten war etwa nicht historisch bedingt, sondern wurde zum Teil einfach festgelegt: „das ist eine ganz junge Entwicklung“, die etwa von Gertrud Pesendorfer in ihrem Standardwerk „Lebendige Tracht“ mitgeprägt wurde. Die Tracht dürfe sich jedoch nicht nur auf Festgeschriebenes berufen, sondern müsse Neues zulassen: „Tradition und Moderne ist kein Widerspruch!“, so Berger.
Dass das Thema Tracht für Emotionen sorgt, zeige sich bei der anschließenden Diskussion, bei der sich die Besucher lebhaft mit ihren Beiträgen einbrachten. Dabei war auch durchaus ein Gegensatz zwischen strengem Traditionsbewusstsein und einer liberalen Haltung in Bezug auf die Tracht und deren Verwendung zu erkennen: Welche Freiheiten lässt die Tradition zu, welche individuellen Spielräume sind erlaubt? Welche Stoffe, welcher Schmuck, welche Schuhe? Sind Piercings, Tattoos oder blau und grün gefärbte Haare tabu? Die Meinungen gehen auseinander, auf der Suche nach allgemeinen Richtlinien wird eben oft Pesendorfer zitiert oder beim Volkskunstmuseum als vermeintlich zuständige Institution angefragt. Karl. C. Berger winkt jedoch ab und will keine Richtlinien vorgeben, die es eigentlich nicht gibt bzw. die relativ willkürlich eine historische Momentaufnahme wiedergeben.
Über eines waren sich alle Diskussionsteilnehmer einig: Die Pflege des Handwerks und die Weitergabe von Wissen um Arbeitstechniken und Material spielt im Zusammenhang mit der Tracht eine wesentliche Rolle – „Die Tracht verankert das Handwerk in der Region“ meinte Magdalena Habel, Schülerin der Höheren Lehranstalt für Mode und Bekleidungstechnik Innsbruck, und ihre Kollegin Miriam Kirchmair ist ebenso der Ansicht, dass das Handwerk wichtig ist, plädiert aber dafür, dass man „offen für Neues“ sein müsse und beispielsweise Trachtenelemente auch in der Mode zitieren dürfe.
Gexi Tostmann fasste zusammen, was für sie für die Zukunft der Tracht wesentlich ist: „Wir wollen den Jungen Werte vermitteln: Handwerk, Ästhetik, Material!“ Sehr wichtig sei ihr zudem, dass die Tracht nicht von einzelnen Gruppen vereinnahmt werde, sondern dass die Tracht quer durch alle Schichten und Altersgruppen getragen werden kann.
Diskussionsstoff ist also weiter gegeben, dennoch ist man bemüht, zum Thema Tracht einen Konsens zu finden. Oder wie es Moderatorin Angelika Neuner-Rizzoli zusammenfasste: „Die Tracht ist ein wichtiger Teil der Volkskultur, daher sollte sie auch mit Respekt und Weitsicht geprägt werden“. Respekt voreinander und vor der Tradition und Weitsicht mit Blick auf die Zukunft.
Fotos: Albin Ritsch